Wenn wir uns jetzt die Storys der bad auntys aus unserer Gesellschaft ansehen, dann kann man leicht feststellen, dass diese Informationen meist auf etwas Gehörtem oder Mutmaßungen beruhen. Schnell werden eigene Geschichte aus den Fetzen an Informationen gedreht und per stille Post weitererzählt bis am Ende der Günther [fiktiver Name] eine Bank mit einer Frau ausgeraubt hat, obwohl er nur abends mit einer guten Freundin Kaffee trinken wollte und vorher zur Bank ging, um Geld abzuheben. Dramatisierung vom feinsten, entspricht aber tatsächlich manchem Drama der Realität.
Nicht selten ziehen gerne Menschen daher gerne in Städte und Örtlichkeiten, wo wenig bis gar keine Tamilen wohnen. Abschotten von der Kultur aus Selbstschutz.
„Hast du viel mit Tamilen zu tun?“
kommt sogar von einigen Menschen, die sich davor fürchten, verurteilt und in eine Schublade gesteckt zu werden. Nicht, dass alle Tamilen so sind, aber einige Jugendliche verknüpfen aufgrund negativer Erfahrungen gerade negative Eigenschaften mit Tamilen. Sie meiden um jeden Preis die Gesellschaft von konservativen Menschen aus der Kultur – wieder aus Selbstschutz. Doch kann man in Zeiten von Social Media wirklich vor seiner Herkunft und den dazugehörigen Menschen fliehen?
Aber nicht nur bei uns ist der Ruf eine wichtige Maßgabe, sondern auch auf allen Teilen der Welt. Während Unternehmen sich mit dem Begriff „Employer Branding“ herumschlagen, sind Privatpersonen auf die Äußerungen der Mitmenschen angewiesen. Unternehmen versuchen mit großem Engagement negative Google Rezensionen zu löschen. Frustrierte Kunden und Mitarbeiter wissen manchmal um ihre Macht im Internet und versuchen der Firma mit einer negativen Bewertung zu schaden.
Wer kauft heutzutage nicht aufgrund von Bewertungen von Anderen ein? Wenn man keine eigenen Erfahrungen mit einem Produkt oder einer Dienstleistung hat, dann verlässt man sich auf die Meinung von Mitmenschen.
So ähnlich ist es auch manchmal bei Menschen. Lernt man eine Person kennen, erzählt man seinen Freunden davon. Oder man bekommt von dem Gegenüber gesagt:
„Aber du weißt doch wie deine Freundin ist, oder? Nicht, dass du dich mit ihr abgibst und ihr Ruf auch noch auf dich abfärbt. Also halte lieber Abstand von ihr.“
Wenn Loyalität nicht wäre, würden sich manche Menschen das Gehirn auf links drehen lassen – ganz einfach, weil es jemand anderes gesagt hat. Man hat es selbst nicht gesehen, miterlebt oder von der Person selbst erzählt bekommen, aber man meint es zu wissen.
Genau deshalb habe ich mir bereits vor Jahren vorgenommen, mir mein eigenes Bild von Dingen, Situationen und Menschen zu machen. Zwar nimmt man die ein oder andere Meinung ernster, aber man weiß nie ganz genau, wieso eine andere Person diese Meinung hat. Sind es persönliche Abneigungen, Neid oder eigene Minderwertigkeitskomplexe? – Man weiß es nicht. Deshalb sollte man immer auf sein eignes Herz hören und sein Köpfchen einschalten.
Ist der Ruf erstmal geschädigt, fühlen sich viele Unternehmen und Menschen machtlos. Sie können ihn zwar versuchen mit Charity Maßnahmen aufzuwerten, aber dies fühlt sich meist so an als würde man einen Tropfen Gold auf einen Berg Dreck geben.
„Die Meinung Anderer wurde unter Umständen nachhaltig geprägt.“
Wir haben alle bestimmte Vorstellungen von dem, wie sich jemand zu verhalten hat. Wenn wir zwischen zwei oder mehreren Kulturen aufwachsen, dann verstoßen wir bewusst oder unbewusst gegen einiger der Moralvorstellungen und Regeln. Schnell heißt es z.B. „Dieses Mädchen benimmt sich nicht so wie sich eine tamilische Frau verhalten sollte.“ – die Person wird mit Worten schlecht geredet, weil sie anders ist, nicht den Vorstellungen und Erwartungen entspricht.
Schnell eilt ihr der Ruf voraus, dass sie später auf die schiefe Bahn geraten wird. Passen dann auch noch weitere Gerüchte, die im Umlauf sind, zu diesem Bild, wird alles zusammengesetzt wie bei einem Puzzle.
„Man erstellt ein Bild von einem Menschen, das ihm mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mal entspricht und meint jemanden zu kennen, dem man eventuell sogar nie vorher begegnet ist.“
Als ich mir die Auswertungen zu meiner Umfrage auf Instagram angesehen habe, habe ich auch bemerkt, dass diejenigen, die angaben, selbst Opfer von Rufmord gewesen zu sein, meist selbst sehr starke und selbstbewusste Personen waren. Meist leben diese Menschen nach ihren eigenen Regeln. Sie missachten zu ihrem eigenen Wohl, Erwartungen Anderer. Dies wiederum wird ihnen negativ ausgelegt, da ja etwas nicht mit ihnen stimmen muss, wenn sie sich so verhalten. Aber muss es an ihnen liegen? Sollten wir nicht offener und toleranter anderen Lebensweisen gegenüber sein? Oder einfach unseren Mund halten, wenn wir nichts Kluges beizutragen haben?
Als ein ehemaliger guter Freund über mich schlimme Dinge erzählte, habe ich die Nase voll gehabt und ihn direkt konfrontiert. Und zwar nicht auf die „Bist du blöd, wieso redest du so einen Mist?“ – Art, sondern ich sprach ihn mit einer ruhigen, sachlichen Art an. Er öffnete sich tatsächlich und gab zu, dass er so verletzt gewesen sei, dass ich nach einem Streit den Kontakt abbrach, dass er keinen anderen Weg sah, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen als Gerüchte über mich zu verbreiten.
Er wusste um die Macht, dass andere Menschen seinen Worten Glauben schenken werden, da wir befreundet waren und nutzte diese gegen mich aus.
„Ganz allein aus Trotz, Verletztheit und irgendwo auch Trauer. Ich hatte zwar in diesem Moment Mitleid mit ihm, aber für mich war klar, dass ein Mensch, der so mit Ablehnung und Rückschlägen umgeht, definitiv nicht in meinen Freundeskreis gehört.“
In der Psychologie gibt es das Wort Coping. Es bezeichnet die Umgangsstrategien von uns Menschen mit stressauslösenden Situationen. Ein Teil dieser Strategien lernen wir während des Aufwachens und einen Teil kann man selbst lernen – selbst im Erwachsenenalter. Man kann aber seine Strategien immer wieder verbessern und sogar umstrukturieren.
Was viele junge Menschen aus östlichen Kulturen sich abgucken ist, dass sich über eine Person ausgelassen wird, sobald sie kein Teil des Lebens mehr ist. Sie sehen bei ihren Eltern, dass sich sogar zerstrittene Geschwister übereinander beschweren und ahmen das ohne zu reflektieren nach.
„Was wir uns also an dieser Stelle klar machen sollten ist, welche Strategien wenden wir an sobald uns jemand verletzt oder sogar verlässt? Sind wir dann sogar auch jemand, der versucht den anderen Menschen nachhaltig zu schädigen?“
Bild (Small Talk“) unter Creative Commons License von Golfbag3
Dies ist der zweite Artikel aus der Serie zum Thema „Rufmord“. Weitere Artikel aus der Reihe:
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