In der heutigen Zeit sieht man viele alleinerziehende Elternteile, wovon 90% Mütter ausmachen. Während erhöhte Trennungs- und Scheidungsraten als Problem der „Moderne“ abgetan werden, gab es diese bereits vor 15-30 Jahren in unserer Gesellschaft. Damals war es allerdings umso schwieriger diesen Schritt zu gehen, weil die Akzeptanz für alleinerziehende Mütter noch niedriger war als sie heute ist.
Das aber nicht der Beziehungsstatus des Elternteils etwas damit zu tun hat, was man aus seinem Leben macht, welcher Art von Mensch man wird und vor allem wie erfolgreich man später ist, möchten wir mit diesem Artikel zeigen. Wir beide – Pras und Vijitha – möchten euch die Realität alleinerziehender Mütter, vielmehr die ihrer Kinder, vor Augen führen.
Nicht selten werden alleinerziehende Mütter, so gut wie in jeder Gesellschaft, mit bemitleidenden Blicken überströmt. Einerseits stört man sich an dem zerbrochenen Bild der traditionellen Familie. Andererseits fragt man sich, was wohl aus den Kindern werden wird, wenn lediglich ein Elternteil die Erziehung übernimmt.
„Die Familie erleidet dadurch einen Imageschaden – sie hat als Ganzes nicht funktioniert, ja sogar versagt.“
Sie wird als eine zerbrochene Familie angesehen. Es wird sogar – bewusst oder unbewusst – erwartet, dass die Kinder in der Zukunft versagen werden. Darüber hinaus wird gemutmaßt, dass sie zu Menschen werden, die ihre Ziele aus dem Blick verlieren, Unsinn treiben, oder sogar auf die schiefe Bahn geraten.
Hin und wieder werden wir gefragt: „Aber wieso haben sich denn deine Eltern damals getrennt?“. Eine Frage, die wir nur lückenhaft und nicht zu 100% beantworten können. Unsere Eltern haben uns aus dem ganzen Trennungsprozess herausgehalten. Sie wollten nicht, dass wir auf irgendeine Weise belastet werden oder dies sogar unsere Meinung über den anderen Elternteil beeinflusst.
Single-Mütter selbst werden nicht selten als gebrauchte second-hand Ware gesehen. Als Menschen, die durch ihre Einsamkeit oder Verzweiflung für die eine oder andere verbotene Sache zu haben sind. Auch wenn uns das nicht direkt betroffen hat, bin ich (Vijitha) vor Jahren mit einer Freundin in ein Gespräch geraten.
Sie erzählte mir, dass eine Frau ihren Mann durch einen Unfall verlor. Sie zog sich daraufhin verständlicherweise eine Zeit lang aus der Öffentlichkeit zurück. Nach einiger Zeit änderte sie plötzlich ihr Profilbild auf den sozialen Medien. Darauf zu sehen war: Sie selbst mit Glatze und der Aufschrift
„Do you want to ask me again, if I want to sleep with you?“ („Würdest du mich wieder fragen, ob ich mit dir schlafen möchte?“)
Die Geschichte dahinter war, dass sie immer wieder von Männern – selbst verheirateten – angeschrieben wurde, ob sie den nicht Lust auf etwas Spaß habe. Jetzt wo der Mann der Familie und damit auch der Schutz weggefallen ist, witterten einige Männer die Chance, unverbindlichen Spaß zu haben. Sie versuchten, die herzzerbrechende Situation der Frau schamlos zu ihren Gunsten auszunutzen.
Unsere Erfahrungen und Geschichten haben eines gemeinsam: Ein alleinerziehender Elternteil zu sein, ist nicht einfach. Man hat nicht nur die alleinige Verantwortung für die finanzielle Situation der Familie, sondern ist auch hauptsächlich für die Harmonie innerhalb dieser verantwortlich. Denn durch den Verlust des Mannes, muss die führende Hand durch Eigenverantwortung und Pflichtbewusstsein ersetzt werden.
Dass man es daher auch als Kind schwer hatte, ist unabdingbar. Während des Erwachsen Werdens, hat man sich vieles nicht erlauben können, was in „normalen“ Familien gang und gäbe ist.
„Viele Wünsche bleiben unerfüllt und man stellt sich besonders im Kindesalter die Frage, wieso der andere Elternteil nicht da ist, was er grad wohl macht und wie es sein könnte, wenn man eine „vollständige“ Familie wäre.“
Wir sind, wie erwähnt, beide als Kinder alleinerziehender Mütter aufgewachsen. Mal waren wir ein kleines Kind, als wir einen Elternteil verloren, mal schon jugendlich. Was wir aber gemeinsam haben ist, dass unsere Mütter alles getan haben, um ihre Kinder glücklich zu machen. Sie versuchten den Wegfall des Vaters durch noch mehr Liebe und Verständnis zu kompensieren.
Denn welchen Lebensweg ein Kind einschlägt, liegt zum größten Teil in den Händen dieser alleinerziehenden Mütter. Häufig sogar allein in den Händen dieser.
Ich (Pras) bin mit 3 Jahren während des Krieges mit meiner Mutter aus Sri-Lanka geflohen. Dadurch, dass sich meine Eltern getrennt hatten und meine Mutter seit Kinderjahren an chronischem Asthma litt, war ein Verbleib in Sri-Lanka zu Hochzeiten des Krieges unmöglich. Daher erhoffte sie sich ein furchtloses Leben bei ihrem Bruder und ihrer Schwester in Deutschland.
„Wenn ich an die damalige Zeit der Flucht zurückdenke, bin ich erstaunt darüber, was alles meine Mutter mit ihrer Krankheit und einem 3 jährigen Kind mitgemacht hat.“
Sei es das Flüchten durch die von Krieg zerstörten Gebiete, die Suche nach Schutz in Bunkern, Vermummen und Schleusen in mit Menschen gefüllten Lastern oder das Wandern durch die vom Schnee bedeckten Gebiete der Tschechischen Republik – um schließlich über die Grenze nach Deutschland zu gelangen. Und das alles mit einem 3-jährigen Kind in ihren Armen, das schrie und weinte, und mit ihrem Asthma.
In Deutschland angekommen, in einem fremden Land mit einer fremden Sprache, fremden Menschen und ihrer Krankheit, war es nicht weniger einfach. Umso mehr war ich ab Erreichen eines bestimmten Alters mehr in der Verantwortung als vielleicht Gleichaltrige. Aber auch meine Mutter tat alles in ihrer Macht stehende, um mir eine zufriedenstellende Kindheit und einen guten Werdegang zu ermöglichen.
„Es war ein gegenseitiger Wille aufeinander Acht zu geben und das Leben zum Besseren zu wandeln.“
Daher bestimmen aus meiner Sicht Werte wie Pflichtbewusstsein, Verantwortung, Mitgefühl und Dankbarkeit eher welchen Lebensweg man einschlägt als der Beziehungsstatus des Elternteils.
Hinzu kommt aus meiner Sichtweise (Vijitha), dass das Kind meistens allein zuhause ist. Man lernt auf sich selbst aufzupassen, den Haushalt zu machen, auf die Geschwister Acht zu geben und sich gegenseitig zu unterstützen, während die Mutter den ganzen Tag arbeiten ist. Und um sie dann, wenn sie erschöpft nach Hause kommt, sie bei ihren weiteren Erledigungen zu unterstützen. So wie es viele aus klassischen Familien kennen, dass immer jemand zu Hause ist, wenn man von der Schule oder Arbeit nach Hause kommt, gibt es nicht.
„Es gilt früh Verantwortung zu übernehmen, manchmal sogar viel eher als es alterstypisch ist.“
Man entwickelt mit der Zeit dafür das Verständnis, dass gemeinsame Familienunternehmungen durch den Zeitmangel nicht möglich sind, wie bei Freunden oder Klassenkameraden. Durch den Raum, der dadurch entsteht, dass eine Mutter ihre Kinder nicht mehr so gut im Blick hat, befürchten viele, dass diese unbeaufsichtigt Dinge tun können, die sonst nicht in einer intakten Familie passieren würden.
Wir können aber für uns sagen, dass, wenn man sich der Familiensituation bewusst wird, sehr viel abwägt. Dadurch überlegt man sich, welche Schritte es wirklich wert sind, die eigene Mama zu enttäuschen. Wie jede andere Beziehung, baut die Mutter-Kind-Beziehung ebenfalls sehr viel auf Vertrauen auf. Allein dadurch, dass man keine andere Bezugsperson innerhalb der Familie hat, ist das Vertrauen der Mutter enorm wichtig. Sie ist in dieser Situation, noch mehr der Grundstein für das eigene Leben.
„Durch ihr Vertrauen in gewissen Dingen, fragt man sich 10x mehr ob gewisse Dinge es wert sind, das im Voraus geleistete Vertrauen zu missbrauchen.“
Gerade in den jungen Jahren ist die Mutter Bezugsperson, Vorbild und der Halt, den man im Leben hat. Durch ihre Stärke sind wir zu diesen starken Personen herangewachsen. Sie hat uns gezeigt, dass man sich durch keinen Schicksalsschlag im Leben herunterkriegen lassen sollte.
„Wenn das Leben dich 10 mal umhaut, dann steh 11 mal auf.“
Zudem haben sie uns gelehrt, dass alles möglich ist, solange man selbst daran glaubt. Und zu guter Letzt können wir mitnehmen, dass der Zusammenhalt in schweren Zeiten mehr wert ist als sich der Gesellschaft zuliebe, einer unglücklichen Beziehung zu widmen.
Dass wir heute die Menschen sind, die wir sind, haben wir allein der Erziehung unserer Mütter zu verdanken.
„Ein Dank an Mama, dass du uns trotz so vieler Schwierigkeiten zu dem Menschen gemacht hast, der wir heute sind.“
Bild („Mother and Child, India“) unter Creative Commons Lizenz von Miltos Gikas
Dieser Artikel ist aus einer Kollaboration mit Pras entstanden. Anbei ein paar Worte zu seiner Person:
Als 3 jähriger Junge, der vor dem damals in Sri-Lanka herrschenden Bürgerkrieg geflüchtet ist, kam ich meiner Mutter nach Deutschland und wuchs im beschaulichen Düren auf. Ich studierte Wirtschaftswissenschaften in Dortmund. Arbeiten tue ich im Marketingbereich eines Telekommunikationsdienstleisters. Zum Schreiben kam ich während meiner Schulzeit, vorwiegend durch meinen Englisch-Lehrer, der die Faszination dafür in mir weckte und mich unterstütze. Ich finde es erstaunlich, wie man durch Schreiben ganze Handlungen entstehen lassen kann. Dies zeigte sich dadurch, dass ich für mein Abi ein modernes Drehbuch zu Shakespeare’s „Othello“ schrieb und verfilmte.
Genauso wie Fotos dafür da sind um Erinnerungen festzuhalten, finde ich, sind Niederschriften dafür da um Gedanken zu wahren, diese mit anderen Menschen zu teilen und im besten Fall zum Nachdenken anzuregen. Eine Weisheit, die ich mit der Zeit lernte war, dass es im Leben weder richtig noch falsch gibt. Denn wer definiert richtig und falsch? Keiner kann sich in deine Haut hineinversetzen, nachvollziehen mit was du zu kämpfen hast oder was dein Handeln beeinflusst. Daher bin ich der Überzeugung, dass solange kein Mensch durch das Handeln eines anderen zu Schaden kommt, niemand ein Verhalten als richtig oder falsch beurteilen kann.
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