Eine Dokumentation zeigt einen “Unberührbaren“, einen sogenannten Dalit in Indien. Mit Alkohol betäubt und ohne Schutzkleidung steigt er halbnackt in die enge, stickige und dunkle Öffnung in der Straße. Ein Kanal ist verstopft und er schaufelt Dreck und menschliche Exkremente heraus.
„Einer anderen Tätigkeit kann er nicht nachgehen um seine Familie versorgen zu können, denn er ist ja ein Dalit. Er unterliegt wie viele andere dem hinduistischen Kastensystem.“
Den Ursprung hat diese über 400 Jahre alte Form der Herrschaft in Indien, die heute größte Demokratie der Welt. Sie legalisierte lange Zeit eine gesellschaftliche Hierarchie. Offiziell wurde diese Form von Regierung, die auf Diskriminierung und Ungerechtigkeit vom Feinsten basiert, im Jahre 1949 für nichtig erklärt.
Das Kastensystem basiert auf der strengen Rangordnung nach Region, Geburtsort, Hautfarbe und Beruf. Priester und Heiler bilden die oberste Schicht, gefolgt von Kriegern und Kaufleuten und Händlern. Die allerletzte Schicht bilden die Sklaven, Unberührbaren, Kanalreiniger, Totengräber und grob gesagt, die Menschen, die die Drecksarbeit für kleines Geld machen. Ein Spiel mit unfairen Regeln.
„Wer einer niedrigen Kaste angehört, kann nicht aufsteigen. Es besteht absolut kein Zugang zu den oberen Schichten. Eine ausgeklügelte Isolierung bestimmter Menschen.“
Auch leben die verschieden „Jathis“ (einzelne Gruppierungen) getrennt voneinander, wodurch ein Aufeinandertreffen der verschiedenen Kasten erst gar nicht zustande kommt. Selbst Namen verraten, in welche Kaste man hineingeboren worden ist. So schafft man es, durch Erfragen des Wohnortes und des Namens herauszufinden, welcher sozialen Gruppen man entstammt.
„Auch wenn Indien das Kastenwesen abgeschafft hat ist diese Denkweise noch erschreckend präsent in der hinduistischen Diaspora.“
Selbstverständlich ist es unmöglich, alte Traditionen zu vergessen und sich schlagartig an die modernden Kulturen der westlichen Welt anzupassen. Manche Großeltern oder Eltern können und wissen es eben nicht anders. Wenn es beispielsweise um eine Eheschließung geht, wird gerne mal ausgeblendet, dass man in einem Land wohnt, in dem Menschenrechte und Gleichwertigkeit das Fundament einer friedlichen Gesellschaft bilden.
Es können nur eheliche Bündnisse innerhalb der eigenen Kaste erfolgen, in die man hineingeboren wurde. Alles andere wäre undenkbar, eine Schande für die Familie wie es gerne oft ausgedrückt wird. Bestraft wird ein Familienmitglied mit dem Ausstoß, um die “Reinheit“ und Ehre der Familie zu bewahren. Leider übertragen viele Vertreter des Kastensystems diese Denkart auch auf die Nachkommen.
„Wie kommt es aber dazu, dass man trotz gesunden Menschenverstandes Personen auf ihre Kaste reduziert?“
Hinduisten, die einer niedrigen Kaste im Ursprungsland angehörten, haben in der westlichen Welt Zugang zu allen Berufen. Die Berufswahl ist also nicht mehr auf die eigene Kaste beschränkt und man muss auch keine hohe Kastenzugehörigkeit haben, um bestimmte Privilegien zu erhalten. Es besteht also keine Notwendigkeit, Menschen in Kasten zuzuordnen.
„Langsam aber sicher kristallisiert sich heraus, dass die bewusste Einteilung der Gesellschaft in Kasten eine wirklich stumpfsinnige Art von Machterlangung und -erhaltung ist. Sie ist eine pure Diskriminierung, die mit einer modernen Gesellschaft nicht zu vereinbaren ist.“
Es gibt wohl eine große Dunkelziffer an Menschen die immer noch dem Kastenwesen einen Nährboden bieten. Wer eine gute Bildung genießt, ist auch in der Lage das Kastenwesen zu hinterfragen. Man muss eben einfach mit der Zeit gehen.
This is PART III of our „caste system“ series. See here the other articles of this series.
Bild („Asia – India / Women of Sangli“) unter Creative Commons Lizenz von Nilayan Dutta
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