„Neenga karuppa irundhalum, azhaga irukeenga“ („Auch wenn du dunkelhäutig bist, siehst du hübsch aus.“)
Wie oft haben wir diesen Satz über uns ergehen lassen? Das mag für den einen oder anderen nicht schlimm sein. In erster Linie ist auch nichts Verwerfliches daran, aber wenn man diesen speziellen Satz immer und immer wieder hört und das Gesagte analysiert, ist das sehr kränkend. Trotz meiner dunklen Haut, bin ich hübsch? Heißt es übersetzt etwa „Eigentlich gehörst du mit deinem Hautton zu der unattraktiven Sorte – aber ich bin überrascht wie hübsch du sein kannst, obwohl du einen dunkleren Teint hast.“? Eine sehr abwertende Aussage, oder?
Ich selbst muss offen und ehrlich zugeben, dass ich lange lange Zeit ein Gefangener dieses Irrsinns war und mich zu vielen Dingen verleiten lassen habe, einiges an Mist mitgemacht habe, um einen helleren und automatisch ach so schöneren Teint zu erreichen. Viele Tränen sind geflossen und mein Selbstbewusstsein hat sehr darunter gelitten!
Manche mögen sagen: „Dann lass das nicht so an dich heran“ oder „Selbst schuld, wenn man hinhört.“ Aber diese Stärke, die man in sich trägt, um selbstbewusst mit solchen Kommentaren umzugehen, bekommt man leider nicht in die Wiege gelegt. Gerade als Kind fällt es einem schwer, Aussagen, die sich auf die Hautfarbe beziehen, nicht zu nahe an sich heran zu lassen.
Man möge sich vorstellen, dass solch immer wiederkehrende Sätze von Fremden oder sogar nahestehenden Verwandten, Auswirkungen auf den eigenen Selbstwert oder sogar das Selbstbewusstsein haben können. Man beachte zudem, dass derartige Aussagen, die wir von Kindesbeinen bis ins Jugendalter erhalten, von solchen Mitmenschen kommen, die meistens selbst einen dunkleren Teint haben. Jetzt als Erwachsene sind wir in der Lage solche Sätze zu überhören oder Stellung dazu zu nehmen. Erst mit den Jahren entwickeln wir den Mut zu sagen, dass es nicht in Ordnung ist jemanden auf seine Hautfarbe zu reduzieren!
Es geht sogar so weit, dass man sich durch ANDERE MENSCHEN in seiner eigenen Haut nicht mehr wortwörtlich wohlfühlt. Ich verstehe nicht, wieso ein Aspekt, den man sich nicht selbst ausgesucht hat, angesprochen werden muss? Wieso ist es so schwer zu LEBEN und LEBEN ZU LASSEN? Jemanden auf diese Weise zu kränken, macht ihn weder heller noch lernt er, selbstbewusst mit seinem Äußeren umzugehen. Daher ist es Zeit mehr Sensibilität für solch ein Thema zu wecken.
Immer wieder sind mir als Kind und Jugendliche Fragen wie:
„Wieso ist unsere tamilische Gesellschaft so? Wieso wird man vom eigenem Volk auf die Hautfarbe degradiert, obwohl wir als „Farbige“ eher stolz auf unseren Teint sein sollten?“
durch den Kopf gegangen. Meiner Ansicht nach, repräsentiert genau diese einzigartige Hautfarbe unser Volk und ist ein Teil unserer Identität, wohl bemerkt.
Woher kommen die Schönheitsideale, wie zum Beispiel, dass Menschen mit einem hellerem Teint als schöner, attraktiver, wohlhabender wahrgenommen werden? Ich meine nicht die eigene Präferenz, sondern dieser Irrsinn, der von unserer Gesellschaft impliziert wird, dass dunkle Haut unattraktiv oder gar „schmutzig“ sei im Vergleich zur helleren Haut. So oder so, liegt es meist im Auge des Betrachters, was er als „schön“ empfindet. Was ich allerdings kritisch finde ist, dass sich die Hautfarbe sich auf viele, wenn nicht sogar alle Lebensbereiche auswirkt, worauf ich im Laufe des Textes noch genauer eingehen werde.
Wie kommt es dazu, dass man anhand der Hautpigmentierung generell behaupten kann, wie schön jemand ist? Es scheint so, als wäre diese Denkweise über die Jahrhunderte hinweg tief bei uns im Kopf verankert worden. Die Auswirkungen sind bis heute zu spüren. Viele scheinen sich nicht im Klaren darüber zu sein, wie solche Aussagen jemanden treffen können. Ich meine auch zu behaupten, dass Mädchen und heranwachsende Frauen stärker mit diesem Ideal zu kämpfen haben als Jungs und heranwachsende Männer. Zumindest zeigen sie den seelischen Schmerz nicht so wie das weibliche Geschlecht.
Mittlerweile befinden wir uns im 21. Jahrhundert und die meisten von uns haben das Privileg, in einem westlichem Umfeld aufgewachsen zu sein. Hierzulande darf und sollte sich jeder wohlfühlen, wie er oder sie ist bzw. sein möchte. Natürlich sieht es die Elterngeneration anders und beharrt in vielerlei Dingen auf die Mentalität, die ihnen die Generation über ihnen weitergegeben hat. Dies muss nicht immer gleich positiv sein. Wir, als junge Erwachsene, die in einem neuen Umfeld aufgewachsen sind, können unseren Blickwinkel nun erweitern.
Ich bin den Dingen weiter auf den Grund gegangen und habe so einiges an wichtigen Erkenntnissen gewinnen dürfen. Geholfen haben mir dabei unter anderem auch die Erfahrungen und Meinungen Anderer. Wusstet ihr, dass das Ideal unter anderem daher kommt, dass früher die armen Menschen auf den Feldern arbeiten mussten? Sie waren auf diese Weise der prallen Mittagssonne ausgesetzt, wodurch sie einen dunkleren Teint bekamen. Im Gegensatz hierzu konnten sich die wohlhabenden Personen aus der Mittagssonne zurückziehen und waren dadurch logischerweise heller. Ich kann mir gut vorstellen, dass hier der Ursprung unseres heutigen Schönheitsideals liegt.
Des Weiteren beziehen sich einige für die Erklärung der Ideologie auf die Bevölkerungsgruppen der Aryans und Dravidians. Als die hellhäutigen Arier nach Südostasien kamen, unterwarfen sie die Dravidians, die meist dunkler vom Hautton her waren.
„LIGHT SKIN OVER DARK SKIN. Helle Haut wurde in dem Fall als machtvoll gesehen.“
Auch an anderen Stellen der Geschichte war die Dominanz der hellen Haut spürbar. Unter anderem auch zur Zeiten der Kolonisation und Sklaverei. Die Europäer haben uns damals das Bild vermittelt, dass helle Haut schön und mächtig sei, wohingegen dunkle Haut als schmutzig und unerwünscht erachtet wurde. Auch in Teilen Europas war die „vornehme“ oder „adelige Blässe“ lange Zeit ein weit verbreiteter Begriff. Während das Schönheitsideal im Westen ins Gegenteil gekippt ist, hat man das Gefühl, dass unter anderem in südostasiatischen Raum diese jahrhundertealte Sichtweise immer noch praktiziert und angesehen wird.
Bild („Agriculture is the backbone of India!!!“)
unter Creative Commons Lizenz von Vinoth Chandar
Eine weiterer Bezug wird zum Kastensystem hergestellt. Ich bitte diesen Punkt nicht falsch aufzufassen. Weder kann dieses Denken in der heutigen Zeit pauschalisiert werden noch ist diese Denkweise legitim. Und zwar wird vermutet, dass Menschen aus einer niedrigen Kasten körperlich härter in der Mittagssonne arbeiteten mussten und daher ihre dunkle Haut dem erhöhten Melaninanteil zu verdanken haben.
Über den Wahrheitsgehalt der genannten Theorien lässt sich streiten, aber was die Nennung dieser beweist ist, dass die Unterscheidung der Menschen nach Hautfarbe sich so tief in unserer und anderen Kulturen verfestigt hat, dass man langsam versteht, wieso es so schwer ist, gegen diesen Irrglauben anzukämpfen.
Hinzu kommen natürlich Faktoren wie die Genetik, Umgebung und Hautpflege hinzu. Das Zusammenspiel aller Aspekte macht es letztendlich es aus, wie hell oder dunkel jemand ist. Auch unter den Hautfarben gibt es viele Facetten. Viele Menschen haben zumeist nicht einmal einen Hautton am ganzen Körper, sondern sind z.B. im Gesicht anders pigmentiert als an den Armen. Was sagt uns das alles?
„Deine Hautfarbe hat rein gar nicht mit Schönheit, Intellekt oder deinem Wert als Menschen zu tun. Es sind vorwiegend äußere Faktoren, die unsere Hautfarbe bestimmen. Umso wichtiger ist es, an seiner inneren Schönheit zu arbeiten.“
Negative Kommentare bezogen auf das Aussehen haben einen Einfluss auf uns. Machen wir uns nichts vor. Der eine ist stärker davon betroffen und der andere weniger. In jungen Jahren denkt man nicht über so etwas nach und lässt diese meist so stehen. Kinder sind ziemlich direkt und sagen nie etwas aus Böswilligkeit, nicht wie manch Erwachsener. Dieses Sticheln oder wie man so schön sagt, Salz in die Wunde streuen, das können Tamilaunties (zu deutsch: erwachsene tamilische Frauen) sehr gut, ohne Frage.
Aber was bringt mir das, wenn ich jemandem nach einem langen Wiedersehen sage:
„Neenga karuthutheenga“ oder „ean pilla ippadi karuththeenga? Chinna vayadhula nalla niram´a vadiva iruntheenga.“ („Du bist aber dunkel geworden“ oder „Wieso bist du so dunkel geworden, Kind? Als du noch jung warst, warst du so hell und hübsch.“)
Bild („Taking natural light photo shoot of an Indian gorgeous baby girl“)
unter Creative Commons Lizenz von Nithi Anand
Ganz ehrlich, was soll man da antworten? So etwas gehört sich in meinen Augen nicht. Vor allem kommt die Hautfarbe durch vorwiegend äußere Umstände zustande, die nur im sehr geringen Maß in der eigenen Hand liegen. Wir sind alles Geschöpfe Gottes und nur der lieber Herr weiß, warum wir so sind wie wir sind. Natürlich können wir kaum etwas an dem Schönheitsideal der Elterngeneration verändern, aber wir können uns selber lieben lernen und anfangen, uns selbst so zu akzeptieren, wie wir sind! Zudem auf aufhellende Cremes verzichten und die letzten Tuben von Fair & Lovely (= typisch südostasiatische Aufhellungscreme) in die Tonne schmeißen.
Man mag es kaum glauben, aber neben der Schaffung von Minderwertigkeitsgefühlen, hat die Unterscheidung der Wertigkeit der Menschen je nach Hautfarbe Effekte auf viele, wenn nicht sogar alle Lebensbereiche. Im folgenden werde ich euch beispielhaft einige aufzeigen und erklären, in wie fern der Hautton eine Rolle in diesem Lebenszweig spielt.
Die Frauen, die dunkler sind, haben es meistens schwieriger bei der Männersuche. Im Gegensatz hierzu kommt es bei Frauen meist besser an, wenn der Mann dunkler ist. In diesem Zusammenhang würde ich gerne eine Erfahrung teilen, die mich sehr erschüttert und traurig gemacht hat. Ein Mann, der selbst hellhäutige Frauen schöner fand, hatte eines Tages eine Frau am Telefon, die dunkler vom Teint war. Die Familie erfuhr dies und speiste sie deswegen am Telefon ab. Wie würdest du dich fühlen, wenn es mit dir gemacht wird, egal ob hell oder dunkelhäutig?
Oder was fällt einem zu Schwiegermüttern ein, die ihre Schwiegertochter aufgrund ihres Hauttons ablehnen? Vor allem aus Angst, was andere sagen könnten, wenn sie mit „so jemandem“ ankommt? Ich weiß, dieses Szenario spielt sich ganz oft auf diese oder ähnliche Weise ab. Was ich aber ungerecht finde ist, dass man für seine Hautfarbe bestraft wird, zumal sie nicht mal in unserer Hand liegt. Ist es nur möglich, genug für andere zu sein, wenn man auf hautschädigende, krebserregende Cremes zurückgreift? Mir fehlen die Worte – gerade, weil ich selbst ein Opfer dieses Irrglaubens war.
Auch hier erlebt man einen Unterschied, wenn man einen dunkleren Hautton hat. Bei bestimmten Stellen, gerade höheren Positionen, hat man das Gefühl, dass die eigene Herkunft, aber auch die Hautfarbe eine große Rolle bei der Auswahl des passenden Kandidaten spielt.
Die Filmindustrie erleichtert die Sache nicht unbedingt. Was in Bollywood schon lange etabliert ist, ist auch mittlerweile in Kollywood Alltag. Mich macht es traurig, dass es kaum dunkelhäutige Schauspielerinnen gibt, die sehr erfolgreich mitwirken. Stattdessen holen wir Schauspielerinnen wie Amy Jackson oder Hansika und schminken sie dunkler. Passen sie dadurch besser in unser Weltbild? Wieso greift man zu solchen Mitteln, wenn wir selbst hübsche tamilische Frauen haben? Aber wenn die männlichen Schauspieler einen dunklen Teint haben ist es durchaus akzeptabel?
Wie Ihr bereits an meiner Überschrift erkennen könnt, ist diese provokativ und bewusst gewählt. Sie deutet auf eine bestimmte Werbung hin, die im tamilischen Fernsehen oft gezeigt wird. Für die Leute, die diese Werbung nicht kennen: Es geht um bestimmte aufhellende Cremes, die nach mehrmaligen Benutzen zu einem helleren, strahlenderen Teint führen sollen. Die zu erwartenden Ergebnisse sollen vielversprechend sein. Daher sind diese Produkte sehr beliebt im indisch-tamilischen Raum.
Unabhängig von unserer Gesellschaft, sind bei diesem Thema auch andere Ethnien betroffen wie zum Beispiel die afrikanische Kultur. Daher scheinen bei dieser Thematik viele Menschen involviert zu sein. Wieso sollte man allerdings auf solche Produkte zurückgreifen, wenn man mit sich selbst im Reinen ist bzw. sich in seiner eigenen Haut sich wohlfühlt?
„Unsere Gesellschaft ist ein GROßER Faktor, der einiges zu diesem Irrsinn und damit letztendlich zur Verwendung dieser hautschädigenden Cremes und weiteren Hilfsmitteln beisteuert. Einiges mag sicherlich funktionieren, aber keiner hat das Recht uns dieses Denken aufzuzwingen.“
„Darkskin shaming“ ist leider immer noch präsent, obwohl man annehmen würde, dass es so etwas im 21. Jahrhundert schon längst nicht mehr geben sollte. Wenn ich sehe, dass es extra Kampagnen oder Projekte gibt, dann macht mich das einerseits glücklich aber andererseits sehr traurig, dass überhaupt derartige Projekte gestartet werden müssen, um das Bewusstsein für dieses Thema zu wecken.
Manche verwenden ihre Reichweite auf den sozialen Medien positiv, indem sie solche Ansichten durchbrechen und Leute zum Nachdenken anregen. Es gibt inzwischen viele Kampagnen, die dafür einstehen wie zum Beispiel „dark skin movement“, „unfair & lovely“oder das „Dark Skin Project“ von Swarnaa Rajalingam.
„Aber ist es nicht traurig, dass man sich dafür rechtfertigen muss, trotz dunkler Haut schön zu sein? Oder, dass ich hier diesen Artikel schreibe?“
Jetzt als erwachsene junge Frau kann ich sagen, dass ich sowas nicht mehr tolerieren werde. Keiner würde zu hellen Menschen gehen und fragen wieso sie hell sind, oder? Wieso ist es dann allgemein akzeptiert, dass sich dunklere Menschen diesen Fragen aussetzen müssen? Das sind Dinge, die sich meiner Meinung nach nicht gehören.
„Meine Intention mit diesem Artikel ist, dieses weit verbreitete Denken anzusprechen und junge Erwachsene dazu zu ermutigen, etwas dazu sagen, falls Fremde oder Verwandte euch dieses Gefühl von Minderwertigkeit geben sollten.“
Zum Abschluss muss ich sagen, dass mich diese Erfahrungen sehr geprägt und damals ziemliche Auswirkungen auf mein Selbstwertgefühl hatten. Mittlerweile habe ich gelernt, mich so zu akzeptieren, wie ich bin und habe dadurch meine Hautfarbe lieben gelernt. Tendenziell sind Menschen eher dazu geneigt, das anzustreben, was sie nicht haben als das wertzuzschätzen, was sie schon besitzen.
Vielen lieben Dank auch an den Blog thecultureofgrowth.com für die großartige Möglichkeit, meinen Artikel mit der Welt zu teilen, da es für mich ein recht persönliches Thema ist und sehr am Herzen liegt. Ich hoffe, dass es andere Menschen einerseits dazu bringt, über das was sie sagen, auch wenn es nicht böse gemeint war, nachzudenken und andererseits selbstbewusster in die Welt zu gehen ohne sich für Ihre Hautfarbe oder Herkunft schämen zu müssen.
EMBRACE YOUR MELANIN ! To be beautiful means to be yourself. You don’t need to be accepted by others. You just need to accept yourself!
In diesem Sinne, viel Kraft und Mut dafür, zu deiner eigenen Person mit all deinen Macken und Kanten zu stehen!
An dieser Stelle möchte ich noch auf andere, sehr gute Quellen verweisen, die einerseits noch einen tieferen Einblick darin geben, wie selbstwertschädigend dieses jahrhundertealte Schönheitsideal ist und anderseits werden mögliche Ursprünge diskutiert.
Möglicher Ursprung und der Boom der Aufhellungscreme-Industrie: Why is india so obsessed with fair skin?
Auswirkungen auf unser junges ich: Colourism – you’re dark, so you’re ugly #unfairandlovely
Was wir dunkleren Menschen oft zu hören bekommen: How i learned to love my dark skin
Bild („For your eyes only“) unter Creative Commons Lizenz von Nithi Anand
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