„Ich weiß was du für eine bist. Du brauchst hier gar nicht auf Mahatma Ghandi machen“ – Ja, vor Jahren habe ich tatsächlich eine solche Nachricht von einem jungen Mann bekommen. Entsetzt darüber, dass eine Person, die ich nicht mal kannte, so fies zu einem sein kann, habe ich diese Nachrichten aus Scham gelöscht. Er beschimpfte mich aufs Übelste und meinte zu wissen, wer ich sei und vor allem wie ich sei.
„Er meinte meine ganze persönliche Geschichte zu kennen. Als wäre er bei jedem dieser Taten persönlich dabei gewesen.“
Als ich fragte, woher so standhaft glauben kann, dass er so viel über mich wisse, gab er an eine ehemals enge Freundin zu mir zu kennen. Ich kannte zwar diese Person oberflächlich, aber sie war nie eine enge Freundin für mich. Entweder hatte der Typ einfach Machtgelüste und musste seine abartigen Bedürfnisse an jemanden ausspielen, der ihm von außen betrachtet – einer Frau – unterlegen war. Oder diese ehemalige Bekannte hatte diese Gelüste und wollte zeigen, wie viel sie angeblich über jemanden weiß. Jetzt als erwachsene Frau denke ich, ich hätte den Mut haben sollen, diese Menschen rechtlich zur Strecke zu bringen. Denn eins war klar: Nichts was diese Menschen vorgaben zu wissen, stimmte. Ich stand dar – fassungslos und gedemütigt.
Gerade in östlichen Kulturen, wo viel Wert auf die Reputation eines Menschen gelegt wird, versuchen Fremde einem mit einem Rufmord zu schaden. Besonders Männer, die es nicht verkraften, dass eine Frau nicht zurückschreibt oder sich abweisend verhält, kommen gerne mal auf die „Ich weiß doch sowieso wie du bist“ – Schiene. Wenn es nicht die Person selbst ist, wird gerne mal ein Fake Account aus Angst vor Konsequenzen genommen. Vergessen wird, dass es immer noch die Entscheidung der Frauen ist, wem sie wann antworten und wann nicht. Mit der Nachricht auf Social Media, macht jemand einem lediglich ein Angebot zur Konversation. Wenn dieses abgelehnt wird, dann sollte man das hinnehmen.
Das Ego einiger Männer ist aber so angekratzt, dass falsche Gerüchte verbreitet werden. Sie haben zu Hause wahrscheinlich gelernt, dass sich eine Frau den Worten eines Mannes zu ergeben hat. Wenn nicht, wird sie bestraft. In dem Fall dann auch mal mit Rufmord. Toxische Maskulinität ist einer der Gründe, wieso absichtlich dem Ruf einer Frau geschädigt wird. Nach dem Motto „Du hast mich mit deiner Ablehnung verletzt, also verletzte ich dich jetzt mit dem Rufmord.“
Laut Google ist die Bedeutung für Rufmord „die gezielte Schädigung des guten Rufes, Ansehens einer anderen Person.“ Ein wichtiger Punkt ist, dass die Informationen unwahr sind. Das heißt, sie begründen auf Behauptungen, Vorurteilen oder Mutmaßungen.
„Und genau das zeichnet Rufmord aus: Verbreiten von unwahren Informationen mit der Absicht jemanden zu schädigen.“
Gezielte Streuung von Gerüchten um einer Person zu schaden, wird also als Rufmord bezeichnet. Lästern bildet hierbei eine Grauzone und kann schnell in den Rufmord übergehen.
„Hast du die gesehen? Guck mal wie die sich anzieht! Also meine Eltern hätten MICH auf keinen Fall so rausgelassen“
Blicke. Gelächter. Ausgrenzung.
Damals habe ich die entwürdigenden Nachrichten gelöscht. Heute bin ich mehrere Schritte weiter und möchte mit euch über Rufmord reden. Ein sehr sensibles Thema, über das selten gesprochen wird. Viele der Opfer fühlen Scham oder Selbstzweifel, wenn sie sich diesen Worten und Taten ausgesetzt fühlen und halten daher lieber den Mund, bevor das Thema noch mehr Beifall erfährt als es eh schon tut.
Es ist daher erstaunlich wie hohen Zulauf das Thema auf Instagram erfahren hat. Danke an dieser Stelle an alle Teilnehmer aus meiner Umfrage in den Stories! Es Ich bin mir bewusst, dass diese Umfrage nicht wissenschaftlichen Standards entspricht. Dies ist aber keine Bachelorarbeit, sondern es geht mehr darum ein Feingefühl für dieses sensible Thema zu entwickeln. Nach und nach werde ich die Ergebnisse in den Artikeln einbinden.
Meinem Gefühl nach gibt es keine Person über die einmal schlecht gesprochen wurde – egal ob Mann oder Frau. Der liebe Nachbar, die nette Lehrerin oder auch die Frau an der Supermarktkasse – sie haben es alle mindestens einmal im Leben erlebt – von einem Gerücht bis hin zum Rufmordversuch. Tatsächlich haben bereits 74% der Befragten auf Instagram selbst rufschädigendes Verhalten bei ihnen selbst oder jemandem, den sie kennen, erlebt.
Es liegt also traurigerweise in der Natur des Menschen, jemanden anderes schlecht zu machen. Wir alle haben es schon einmal getan oder tun es teilweise immer noch.
„Es geht nicht in diesem Artikel darum, mir selbst einen Heiligenschein aufzusetzen und mit dem bloßen Finger auf Andere zu zeigen, sondern, bewusst zu machen, was für nachhaltige Folgen die eignen Worte haben können. Wir können uns alle ändern – jederzeit.“
Auch bitte ich euch, sich nicht von Inhalten angegriffen zu fühlen, sondern diese auf euch wirken zu lassen und darüber nachzudenken. Auch mich hat das Schreiben dieser Artikel zum Nachdenken gebracht und meine Verhaltensweisen reflektieren lassen, denn auch ich bin nicht perfekt.
Geredet wird also über jeden. Jedoch sind es gefühlt meist die Frauen, die langfristig unter diesen Taten und Worten leiden. Als hätte man ihre weiße Weste dauerhaft beschmutzt und als würde die Gesellschaft ihren Wert anhand all dieser Worte bemessen. Ihr Wert auf dem Heiratsmarkt sinkt in manchen Augen, konservativ geprägte Menschen meiden sie und sie vereinsamen im schlimmsten Fall. „Ja als gute Freundin ist sie gut, aber schau mal was alles über sie gesprochen wird. Ich will nicht, dass meine zukünftige Frau so einen Ruf hat.“ Ich verurteile diese Gedanken nicht. Jedem das seine. Man kann nicht jemandem mehr zumuten als er oder sie selbst tragen kann.
Währenddessen können Männer später ihr Image meist reinwaschen. Gerüchte wirken sich nachhaltiger auf eine Frau aus als auf einen Mann.
„Erstaunlich, wie weit verbreitet dieses Thema tatsächlich ist, oder?“
Bild unter Creative Commons License von Rawpixel Ltd. Originalbild („Head of a woman with a handkerchief against her nose (1894)“ von Julie de Graag (1877-1924).
Dies ist der erste Artikel aus der Serie zum Thema „Rufmord“. Weitere Artikel folgen in den nächsten Wochen.
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