Jeder von uns hat es mal getan und wir werden es auch in Zukunft tun: Man lästert – das heißt es wird über eine Person geredet, die nicht anwesend ist. Sie kann in dem Fall nichts zu der Konversation beitragen und genau das ist sogar gewollt. Man möchte sich mit jemandem anderen über eine Person austauschen, die die eigene Sichtweise nicht entkräften kann.
Lästern ist menschlich und in gewisser Weise notwendig, um die psychische Gesundheit aufrecht zu erhalten, aber wann überschreitet es Grenzen? Kommt man beispielsweise von einem stressigen Arbeitstag nach Hause, bleibt es nicht aus zu erzählen, wie verärgert man war als der Chef einem einen extra Stapel Arbeit überlassen hat. Sobald es aber dazu kommt, dass eine andere Person entwertet wird – sogar Geschichten erweitert oder erfunden werden – kommt es zu einer negativen Form des Übereinander-Redens. Man wertet seinen eigenen Maßstäben nach und verliert manchmal aus dem Blick, wozu die ursprüngliche Konversation gedacht war. Wir merken:
„Die Linie zwischen dem, sich über etwas auszutauschen, um sich besser zu fühlen oder einen anderen Menschen zu entwerten, ist dünn.“
Im Gegensatz zum gesellschaftlichen Bild reden nicht nur Frauen über ihre Mitmenschen, sondern auch Männer. Das Klischee, dass nur das weibliche Geschlecht den Austausch über andere braucht stimmt nicht. Vielmehr hängt dieses Verhalten von vielen weiteren Faktoren ab. Nun aber zu der Frage: Wieso lästern Menschen?
Neid ist ein Gefühl, das in der Emotionspsychologie noch nicht so gut untersucht ist wie andere Emotionen. Dennoch weiß man, dass Neid eine Mischung aus Trauer, Enttäuschung gegenüber sich selbst und Wut auf jemanden Anderes ist. Wenn wir eine Person sehen, die etwas erreicht hat, was wir selbst gerne hätten, erfüllt uns in dem Moment Neid. Wir sind traurig, weil wir selbst nicht die Möglichkeit hatten, dasselbige zu erreichen – ja sogar enttäuscht von uns selber. Die Wut, die wir in uns fühlen, übertragen wir auf jemanden Anderes und versuchen durch das Reden die Person und ihren Erfolg klein zu halten. Einerseits wird dadurch die Wut auf sich selbst überdeckt und andererseits muss man so nicht zugeben, wie gern man selbst an der Stelle des anderen Menschen wäre. Nicht umsonst sagt man „Neid ist die höchste Form der Anerkennung.“
Es gibt aber auch positiven Neid. Dieser wird dazu genutzt, um daraus Motivation für das Erreichen der eigenen Ziele zu schöpfen.
Man fühlt sich überlegen, weil man Informationen hat oder verbreitet, die nicht für einen bestimmt sind. Während der Konversation fühlt man sich stark, weil die Hauptperson machtlos ist – sogar nicht weiß, dass sie gerade Gesprächsthema ist. Beruhen müssen diese Fakten nicht auf Tatsachen. Es geht hier allein darum, sich durch Informationen einen höheren Status in der Gemeinschaft zu beschaffen. Man möchte an Wichtigkeit dazugewinnen. Die Qualität und Richtigkeit der Informationen haben hier kaum eine Bedeutung. Wie man so schön sagt „Wissen ist Macht“. Wie wir aber diese Macht nutzen ist unterschiedlich. Wir können diese gegen oder für eine Person verwenden – das ist uns selbst überlassen.
Es gibt die Möglichkeit, dass ein Verhalten verurteilt wird, was den eigenen Maßstäben nicht entspricht. Diese Art von Reden findet sich häufig dort, wo zwei Kulturen aufeinanderprallen. Die erzählende Person versteht nicht, wieso jemand anders handelt als man es selbst getan hätte. Selbst, wenn die Handlung keine Konsequenzen für einen selbst hat, wird sie wie vor Gericht hart bewertet. Weil man das Verhalten einer anderen Person nicht versteht, versucht man sich auf diese Weise von ihr abzugrenzen.
Der Austausch hat auch immer etwas mit dem eigenen Selbstwert zu tun. Gerade in einer Gesellschaft, wo abweichendes Verhalten hart verurteilt wird, traut man sich nicht immer, einen Weg zu gehen, der von den allgemeinen Standards abweicht. Tut es aber jemand anderes, versucht man sie abzuwerten, um sich dadurch besser zu fühlen. So betäubt man den Schmerz, sich selbst nicht gerecht werden zu können – man lenkt von seinen eigenen Schwächen ab. Diese Art von Aufbau des eigenen Wertes ist aber nie langfristig, weil sie nicht das eigene Selbstdefizit behebt, sondern eher davon ablenkt.
Menschen verbinden sich durch das Reden mit- und übereinander. Durch das Teilen der Einstellung und Meinung über eine Angelegenheit fühlen sie sich verbunden und bestätigt. Wusstet ihr, dass 1/3 unserer täglichen Konversationen von Mitmenschen handeln? Man tauscht sich über Neuigkeiten im Leben eines anderen Menschen aus – es muss nicht unbedingt immer in Lästern münden. Dennoch ist es gewiss „normal“, dass wir über jemanden reden – die Art und der Inhalt unterscheiden sich je nach Person. Durch die Verbindung zu Mitmenschen bestätigen wir unsere Haltung gegenüber gewissen Themen.
Manchmal ist man in einer angespannten Situation und muss mit jemanden darüber reden – ohne, dass es sich vermeiden lässt, die Rolle der anderen Person zu erklären. Ein Beispiel ist die oben genannte Situation, wo man von einem harten Arbeitstag nach Hause kommt und sich erstmal seelisch entladen muss. Ihr habt sicherlich mal gehört, dass es ungesund ist, Dinge hin sich hineinzufressen. Gerade Frauen, gehen offener mit problematischen Situationen um, indem sie darüber reden. Reden ist also ein Verarbeitungsmechanismus von negativen Ereignissen.
Hier handeln wir aus dem Beweggrund, den Gegenüber zu warnen, sich auf eine Konversation oder mehr mit der anderen Person einzulassen. Durch die Erfahrung, die man selbst mit einer Person oder Situation gemacht hat, möchte man jemandem das Erlebte ersparen. Zudem ist üblich, dass etwas vermittelt wird, was man gehört hat, das heißt, man hat zwar nicht selbst die Erfahrung gemacht, aber die Quelle der Informationen ist so vertrauenswürdig, dass man das Gehörte weitererzählt. Diese „Warnfunktion“ ist von dem Erzähler primär gut gemeint. Sie möchte den anderen vor einer Enttäuschung oder Verletzung bewahren.
Wichtig ist, dass Personen meistens nicht nur ein Motiv haben, sondern das Reden auf einem Zusammenspiel der dargelegten Gründe basiert. Vielleicht möchte man sich stark fühlen, sich aufwerten, neue Verbindungen schaffen aber sich auch Ballast von der Seele reden? Oder so ähnlich.
Die negative Form des Lästerns schafft eine kurzfristige Erleichterung, aber langfristig führt sie eher dazu, dass das eigene Ansehen geschädigt wird, weil das Gespräch an die Öffentlichkeit kommt oder weil Personen beginnen einem selbst zu misstrauen. Denn woher sollen sie wissen, dass sie nicht eines Tages selbst Inhalt des Gespräches sind? „Freundschaften“, die darauf bauen, dass man hauptsächlich über andere redet, bauen auf keinem stabilen Fundament wie Vertrauen. Sie gehen nicht in die Tiefe und brechen ein sobald es nichts mehr zu reden gibt.
Dass Lästern kein Austausch ist, um seinen Horizont zu erweitern, ist uns meist nicht bewusst. Man lernt nichts dazu oder nimmt eine neue Denkweise an, sondern bleibt nach dem Gespräch auf demselben Stand wie vorher. Ob das wirklich erstrebenswert und den eigenen Ansprüchen genügsam ist, ist wiederum jedem selbst überlassen.
“Great minds discuss ideas. Average minds discuss events. Small minds discuss people.“ – Eleanor Roosevelt
„Wie ihr an den Gründen für das Lästern merkt, sagt das Gerede mehr über die Psyche des Redenden aus als über den Geredeten.“
Am Ende steht die erzählende Person schlechter dar als erwartet, ist vielleicht sogar traurig, weil sie die Folgen nicht abgesehen hat oder nicht absehen wollte. Sich Ballast von der Seele zu reden ist überhaupt nicht verwerflich. Sollte aber das Reden hauptsächlich dazu dienen, jemanden anderes schlecht darzustellen, sollte spätestens dann, das eigene Leben hinterfragt werden. Gibt es sonst keine Gesprächsthemen mit den Freunden? – dann ist es Zeit diese „Freunde“ aus dem Leben zu entfernen. Fühlt man sich durch das Reden aufgewertet? – Dann gilt es zu schauen, wieso man im Moment unglücklich ist.
Keiner möchte, dass über einen geredet wird, aber irgendwie tun es doch alle. Wenn man möchte, dass Lästereien und üble Nachrede eingedämmt werden, sollte man mit gutem Beispiel vorangehen.
Zwischen „Sich-Ballast-von-der-Seele-reden“ und „Über-jemanden-herziehen“ ist die Linie sehr dünn. Gerade deshalb, weil manchmal diese Dinge schwer voneinander zu trennen sind. Wie in dem oben genannten Beispiel, ist es nach einem stressigen Tag in den meisten Augen nicht verwerflich, sich über den Chef auszulassen, der einem eine extra Portion Arbeit aufgedrückt hat.
Obwohl die Mitteilung über den Vorgesetzten negativ ist, wird sie von den meisten Menschen nachempfunden und als verständlich bewertet. Lästern kann einem also einen Teil der psychischen Last abnehmen. Jeder Mensch redet und wird auch in Zukunft reden – das wird sich nicht abstellen lassen. Vielmehr ist es wichtig zu lernen, in solchen Situationen angemessen zu reagieren. Es ist daher ratsam, sich in gewissen Situationen zu fragen
„Mache ich das jetzt, um mir selbst oder jemandem, den ich mag, etwas Gutes zu tun oder möchte ich damit der anderen Person schaden?“
Denn wie sagt man so schön? –
„Reden ist Silber – Schweigen ist Gold“
Bild („beach women circle“) unter Creative Commons Lizenz von Senorhorst Jahnsen